Was bisher geschah …
Zu alt, zu weit auseinander, zu kostenintensiv: 2015 empfiehlt die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) die vielen Verwaltungsgebäude zu zentralisieren. 2019 entscheidet sich der Stadtrat für einen Neubau, Frühjahr 2021 dann für die Errichtung auf einem freien Grundstück am Wasserturm. Zeitgleich geht der Auftrag an die Verwaltung zu prüfen, ob dort auch neue Schulgebäude für die beiden weiterführenden Schulen Michael-Ende-Gymnasium und Rupert-Neudeck-Gesamtschule entstehen könnten. Auslöser: anstehende Sanierungen. Aus diesem Auftrag entwickelte die Stadtverwaltung die Idee des CAMPUS Tönisvorst inklusive der Klimaquartiere an den Altstandorten.
Was war die ursprüngliche CAMPUS-Idee, die am 1. Juli vorgestellt wurde?
Zwei moderne Schulgebäude, ein Forum für Veranstaltungen, ein neues Verwaltungsgebäude – alle klimaschonend. Platziert in einem regionalen Grünzug mit Biotop-Vernetzung nach Norden und dem Freizeitgelände Am Wasserturm im Süden. An den Altstandorten von Schule und Verwaltung sollten seniorengerechter Wohnraum, bezahlbarer Wohnraum, naturnahe Grünflächen, Co-Working Spaces, eMobiltät in Form von Klimaquartieren entstehen. Abgerundet wurde das Projekt durch den Ausbau des Radweges Schluff mit Beleuchtung und glatter Bodenoberfläche als Ost-West-Achse und Einstieg in die Mobilitätswende: Das war - grob umrissen – die ursprüngliche Idee des CAMPUS Tönisvorst.
Klimagerechte Gebäude
Die Stadtverwaltung wollte und will weiterhin einen ernsthaften Schritt in Richtung klimaneutrale Stadt gehen. Aktuelle Idee war und ist, für das Verwaltungsgebäude und die Schulneubauten jeweils klimagerechte Gebäude nach dem »Prinzip 2226« zu bauen. Grund? Weil eine umfassende energetische Ertüchtigung der Altgebäude nach Prüfung der Verwaltung einem Neubau gleichkäme – würde aber nach Einschätzung von Fachleuten gleichzeitig nicht den gleichen energetischen Standard erreichen können.
Moderne Schulgebäude
Ganztag, Inklusion, Digitalisierung: Wie muss ein Schulgebäude sein, um neuen Anforderungen gerecht zu werden? Es gibt unterschiedliche neue Konzepte , wie Schulbauten zeitgemäß gestaltet werden können. Für den CAMPUS Tönisvorst wurde vorgeschlagen, eine Idee aus München aufzugreifen, die wie folgt aussehen könnte: Unterstufe, Mittelstufe und Oberstufe erhalten je ein eigenes »Lernhaus«. Statt langer Flure gibt es einen quadratischen Bereich. In der Mitte der »Marktplatz« mit Raum für Gruppenarbeit, Lesezonen, Aufführungen, Präsentationen oder einfach für Pausen und Entspannung. Rund herum gruppieren sich Klassenzimmer, das Teamzimmer für Lehrkräfte und eine eigene WC-Anlage. Jedes Quadrat bildet eine Einheit für sich – ein »Lernhaus«. Als viertes Gebäude dann ein »Fachraum-Lernhaus«, wo Platz für Naturwissenschaften, Kunst-, Werk- und Technikunterricht ist. Dazu altersgerechte Pausenhöfe. Wie hätte so etwas räumlich aussehen können? Für jede weiterführende Schule hätten beispielsweise jeweils vier eigene Gebäude auf dem CAMPUS errichtet werden können. Zusätzlich hätte man eine Mensa gebaut, die Schule sowie Verwaltung – aber auch das Forum - versorgt hätte.
Forum für Kultur und Bürgerveranstaltungen
Auf dem CAMPUS hätte eine neue Stätte für Kulturschaffende und Veranstaltungen in der Stadt entstehen können: das Forum als eigenes Gebäude. Mit Saal, Bühne, Foyer Künstler-Loge oder Aufwärm- und Übungsraum für Musiker.
Offener CAMPUS eingebettet in einen regionalen Grünzug
Nördlich des CAMPUS sollte und soll weiterhin - ein weitläufiger Bongert mit Biotopen entstehen, in den bereits bestehende Kleingartenanlagen sowie landwirtschaftliche Obstplantagen eingebettet würden. Im Süden ist der Landschaftspark am Wasserturm zu finden. Der Campus selbst bleibt frei zugänglich und dient als Bindeglied zwischen den beiden Bereichen. Mit Wegeführungen ist er an die anderen Stadtteile angebunden – und soll zu Fuß oder aber per Rad erreichbar sein.
Nachnutzung der Altstandorte als Klimaquartiere Bezahlbarer Wohnraum – Seniorengerechter Wohnraum
Vorschlag der Verwaltung war, an den Altstandorten von Schulen und Verwaltung Raum für eine positive Trendwende für aktuelle Themen zu schaffen. Deshalb war Raum für freien wie geförderten Wohnungsbau geplant, ebenso Raum für seniorengerechte Wohnungen, aber eben auch für Einfamilienhäuser - mit naturnahen Grünflächen, Co-Working Spaces und eMobiltät. Dazu gehörte eine an den Klimawandel angepasste sowie ressourcenschonende Bauweise. Entsprechend sollten an den Altstandorten von Verwaltung und Schulen zwei Klimasiedlungen (Kirchenfeld und Corneliusfeld), ein Klimaquartier (Wilhelmplatz) und einem Klimahaus (Rathaus Vorst) entstehen.
Die Phase der Bürgerbeteiligung zur CAMPUS-Idee beginnt
Wie standen die Einwohner*innen von Tönisvorst zu der Idee, die Verwaltungsstandorte zusammenzuführen und die beiden weiterführenden Schulen neu und klimaschonend zu bauen? Und an den Altstandorten u.a. bezahlbaren Wohnraum und seniorengerechten Wohnraum neben Einfamilienhäusern zu schaffen - in Form klimafreundlicher Quartiere? Was würden die Einwohner*innen am liebsten als Nachnutzung sehen? Und: Wie sähe für sie das perfekte Schulgebäude aus? Schließlich reichen aktuelle Modelle von einem funktionellen Schulgebäude mit Klassenzimmern über ein Klassenraum-Plus-Modell, bei dem das herkömmliche Klassenzimmer um beispielsweise Differenzierungsräume ergänzt werden, bis hin zu Lernlandschaften, die ganz ohne Klassenzimmer auskommen können oder aber dem Cluster-Modell, bei dem mehrere Klassen einen Pool von Räumen nutzen.
Dafür hatte die Stadt ab Mitte November 2021 eine sechswöchige Online-Bürgerbeteiligungsphase und daran anschließend eine mehrmonatige Workshop-Phase mit Bürger*innen mit einer Einwohnerversammlung als Abschluss (siehe Grafik) angesetzt.
Die Beteiligungsformate
Online
Ende des Jahres 2021 konnten die Online-Beteiligungsformate Ideenräume der Woche und Ideenkarte bequem von zu Hause aus genutzt werden, um der Stadt Ideen mit auf den Weg zu geben. Neben feststehenden Fragen gab es freie Textfelder für eigene Vorschläge.
Analog
Wer das persönliche Gespräch bevorzugte, für den bestand die Möglichkeit – wie bei klassischen Offenlagen – im Rathaus Vorst an der St. Töniser Straße vorbeizuschauen und sich das Konzept zeigen zu lassen und Anregungen abzugeben.
Workshop-Phase
Nach der Online-Beteiligungsphase im Winter 2021 schloss sich im Winter/Frühjahr 2022 die Workshop-Phase mit ganz unterschiedlichen Zielgruppen an (über ein Dutzend Workshops waren angesetzt). So haben die Lehrerschaft, Schülerschaft und den Eltern in Tönisvorst die Anforderungen für einen Schulneubau diskutiert.
Ebenso gab es einen Workshop für Kultur- und Sportvereine. Zudem gab es zwei Bürger*innen-Workshops, deren Teilnehmer*innen per Zufallsgenerator ausgesucht wurden. Damit wollte man einen gewissen Durchschnitt der Grundgesamtheit erfassen. Warum per Zufallsgenerator? Der Grund hierfür liegt im Wesen von Bürger*innen-Beteiligungen: Wenn Stadtverwaltung und Politik nur die lautesten Stimmen organisierter Interessen hören, ist die Chance einer echten Beteiligung vertan. Denn dann hören die Entscheidungsträger*innen nicht unbedingt die Sorgen, Wünsche und Anregungen der stillen Gruppen, die manchmal eine schweigende Mehrheit sind.
Die Protokolle der durchgeführten Workshops sind Sie hier einsehbar.
Bürgerbegehren sowie Machbarkeits- und integrative Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
Während dieser Bürgerbeteiligungsphase wurde von Projektkritikern unter anderem ein Bürgerbegehren eingeleitet, welches schließlich gemäß einer rechtsgutachterlichen Stellungahme für unzulässig erklärt wurde ( Link zum Gutachten). Ebenso wurden andere Konzepte als Ersatz für die CAMPUS-Idee vorgeschlagen, so dass schließlich die Workshop-Phase vorzeitig beendet, die - ursprünglich für den 17. März 2022 - angesetzte Einwohnerversammlung verschoben, und eine externe Machbarkeits- und integrative Wirtschaftlichkeitsbetrachtung in Auftrag gegeben wurde, um verschiedene Varianten abzuprüfen. Das waren die Varianten: Campus & Klimaquartiere mit einem Schulstandort, Campus & Klimaquartiere mit zwei Schulstandorten, Fachraumzentrum plus und CampCorn. Um die verschiedenen Konzepte vergleichbar zu machen, erfolgte die Berechnung des Nutz-Flächenbedarfs der Schulen anhand des Münchener Modells.
Ergebnis M+W-Betrachtung
Das Ergebnis der externen M+ W-Betrachtung wurde dann am 20. Oktober öffentlich im Rat vorgestellt und einen Tag später für alle einsehbar online gestellt. Hierbei waren bereits die sich abzeichnenden Ergebnisse der Schulentwicklungsplanung eingearbeitet, hatte sich eine 5-Zügigkeit beider weiterführenden Schulen abgezeichnet. Kurzform der Ergebnisse? Ein Fachraumzentrum (Variante 3) zu errichten – wie vor der CAMPUS-Idee bereits angedacht - wäre mit der 5-Zügigkeit kaum umsetzbar. Mit dieser Variante muss die RNG weiterhin Flächen im Schulzentrum „Corneliusfeld“ nutzen, weil das „Kirchenfeld“ für eine vollständige Erweiterung der Rupert-Neudeck-Gesamtschule (RNG) nicht geeignet ist. Es ist kein Klimaquartier umsetzbar. Die Bauzeit läge bei mindestens 5 Jahren und die Investitionskosten lägen gemäß der Machbarkeits- und integrativen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zwischen 142,6 und 171,0 Millionen Euro .
Die ursprüngliche CAMPUS-Idee (Variante 1) bietet zwar die Vorteile, dass kein Interim notwendig ist, zwei Klimaquartiere möglich wären und es Flächeneinsparungen durch einen gemeinsamen Campus „Am Wasserturm“ gäbe. Aber: Das Maß der baulichen Nutzung entspräche nicht der vorgesehenen Nutzung. Sprich: Das Grundstück wäre zu klein - und es wären unter anderem eine Tiefgarage und externe Stellplätze notwendig. Zudem lägen die Investitionskosten zwischen 172,5 und 207,0 Millionen Euro .
Bei der Varianten 2a und 2b – CAMPUS mit zwei Schulstandorten - wird die RNG neben das neue Verwaltungsgebäude auf der aktuellen Ackerfläche am Wasserturm errichtet und das Michael-Ende-Gymnasium bleibt am Corneliusfeld. Wesentlicher Unterschied: Bei 2a wird das Gymnasium nicht bis auf den nackten Beton rückgebaut. Bei 2b erfolgt eine Teilsanierung. Unterschied bei den Investitionskosten: Variante 2a liegt zwischen 146,9-176,3 Millionen Euro und die Variante 2b zwischen 125,7 und 150,8 Millionen Euro.
Bei der Variante 4 (CampCorn) ergeben sich als Vorteil Flächeneinsparungen durch einen gemeinsamen Standort und das Klimaquartier am Kirchenfeld ist umsetzbar. Nachteile: Weiterhin besteht eine Durchmischung der beiden Schulen, der Neubau der RNG würde in geschlossener Bauweise erfolgen und die Ausnutzungsgrad der Fläche am Corneliusfeld wäre erhöht, sprich: das Grundstück wäre extrem dicht bebaut. Die Investitionskosten lägen bei 123,4 bis 148,1 Millionen Euro und damit 2,3 bis 2,7 Mio Euro günstiger als die nächst günstige Variante, die Variante 2b.
Ratssitzung 17. Oktober: Verwaltungsvorschlag wird öffentlich vorgestellt
Auf dem Schulgelände Kirchenfeld könnte ein Klimaquartier entstehen - mit Potenzial für bezahlbaren Wohnraum. Das Michael-Ende-Gymnasium MEG könnte am aktuellen Standort und im bisherigen Schulgebäude verbleiben. Die Sorgen von Turnerschaft und Akkordeonorchester, dass ein neues Wohngebiet in unmittelbarer Nachbarschaft das Vereinsleben nachhaltig beeinträchtigt, wären ausgeräumt. Die Rupert-Neudeck-Gesamtschule hätte die Chance auf eine Schule mit kurzen Wegen an einem Standort und zugleich die Chance, ein neues pädagogisches Konzept zu verwirklichen - mit einem Neubau neben der Stadtverwaltung auf einer Ackerfläche am Wasserturm.
Das ist – grob skizziert – der Vorschlag der Verwaltung für die Umsetzung der CAMPUS-Idee mit Klimaquartieren für die Stadt Tönisvorst nach eingehender Prüfung der Ergebnisse aus den Workshops, den Ergebnissen der Schulentwicklungsplanung und den Ergebnissen der Machbarkeits- und integrativen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. Die umfassende Darstellung der Verwaltung findet man hier.
Einwohnerversammlung am 22. November
Am 22. November folgte die Einwohnerversammlung, in der alle bisherigen Etappen noch einmal zusammenfassend dargestellt wurden. Den Auftakt machten ab 17 Uhr die Graphic Recordings. So waren zusätzlich zum ordnungsgemäßen Protokoll während der 10 Beteiligungs-Werkstätten jeweils eine Bilderlandschaft gezeichnet worden. Mit eingebaut: Zitate von Bürger*innen, Schüler*innen, Elternvertreten, Kultur- und Sportvereinen sowie Lehrkräften. Diese Graphic Recordings wurden auf der Empore ausgestellt, so dass die Einwohner*innen einen eigenen Eindruck von den Ergebnissen der Workshops gewinnen konnten.
Ab 18 Uhr erfolgte der Einstieg in den offiziellen Teil: Zunächst informierte der Bürgermeister gemäß Hauptsatzung über die Grundlagen, Ziele, Zwecke und Auswirkungen des Vorhabens.
Danach hatten die Einwohner*innen die Gelegenheit, sich zu den Ausführungen zu äußern. Ein Beschluss wurde während der Einwohnerversammlung nicht gefasst, sondern der Stadtrat wurde über die Einwohnerversammlung in der folgenden Sitzung am 7. Dezember unterrichtet. Hier die Präsentation sowie das Protokoll der Einwohnerversammlung.
7. Dezember: Ratssitzung mit abschließender Entscheidung
Am 7. Dezember 2022 hat der Stadtrat die Stadtverwaltung zur Vorbereitung der Realisierung der CAMPUS-Variante 2b in modifizierter Form beauftragt. Sprich: Die Mehrheit des Rates strebt einen Neubau der Gesamtschule auf einem Grundstück am Wasserturm an, das Gymnasium kann gemäß Wunsch auf dem Corneliusfeld bleiben und im Kirchenfeld soll ein Klimaquartier entstehen. Für diese vorbereitenden Maßnahmen zur Realisierung hat der Rat Mittel bis zu einer Million Euro freigegeben. Dies gilt dann als Grundlage für alle weiteren Entscheidungen. Aktuelle Kostenermittlungen auf Grundlage der Machbarkeits- und integrativen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung gehen hier von einer Investitionssumme zwischen 121,70 und 133,9 Millionen Euro aus. Darin bewusst nicht enthalten sind mögliche Fördermittel, die die finanzielle Belastung reduzieren können. Alle sieben Beschlusspunkte sind in der Verwaltungsvorlage einsehbar – inklusive aktueller Kostenermittlung.